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Harald Hartmann, Moderator von RADIO OLDTIMER und Oldtimer-Experte im Gespräch mit Uwe Mertin, Adam Opel AG, Abtl. Opel Classic über die Werkssammlung, die Exponate von der Anfangszeit bis in die Gegenwart beinhaltet.
So hessisch wie Handkäs´
155 Jahre Firmengeschichte: Traditionshersteller Opel hat 500 fahrbereite Oldtimer in seiner Sammlung
RÜSSELSHEIM. HH. Soft Skills, so nennt man in der an Anglizismen reichen Jetztzeit die Qualitäten von Mitarbeitern und auch Marketingstrategien, die jenseits des Rationalen, Vernünftigen, Argumentativen liegen. Emotionen spielen hier eine große Rolle, ob als menschliche, soziale Stärke oder Geschichte und Tradition eines Unternehmens. Die Adam Opel GmbH, 1862 als Nähmaschinenhersteller gegründet, danach Fahrradproduzent und noch vor 1900 Autobauer, ist ein solches Traditionsunternehmen. Und weil der Kauf eines Autos nach wie vor sehr stark von Emotionen abhängig ist, stellt die Opel-Firmengeschichte ein wichtiges Standbein der Unternehmensstrategie dar.
Ob Historischer Motorsport, Klassik-Rallyes oder europaweite, andere Veranstaltungen – Opel ist mit Fahrzeugen aus der gesamten Firmengeschichte präsent und nutzt immer wieder andere Exponate aus der langen Werksgeschichte als Ausstellungs-Sahnehäubchen im Besucher-Foyer in Rüsselsheim. Die Südhessen haben die treuesten Fans, die Marke genießt Sympathiewerte, von denen andere nur träumen können, und: sie wird als deutsche Firma wahrgenommen, obwohl sie zu einem amerikanischen Konzern gehört und demnächst zu einem französischen gehören wird. Chef der Oldtimerabteilung namens Opel Classic ist Uwe Mertin, selbst Firmen-Urgestein mit 25 Jahren Betriebszugehörigkeit zu Opel und zur Noch-Konzernmutter General Motors. Mertin lebt für die alten Schätzchen, ist spürbar stolz auf die wendungsreiche Historie und selbst sein persönlicher Geschmack ist Opel und GM, wo er beruflich anfing, zugleich: „Ich mag sehr gern die großen Coupés, am liebsten den Diplomat A. Da ist für mich die Kombination aus europäischem, gut konstruierten, gut verarbeiteten Auto mit ordentlichem Fahrwerk und großvolumigem Motor besonders reizvoll.“ Im speziellen Fall ein Chevrolet Small Block mit 5.4 Litern Hubraum und 230 PS. Mitte der 60er Jahre war das, ebenso wie die Höchstgeschwindigkeit von mehr als 200 km/h, eine echte Ansage. Opel auf Augenhöhe mit sündhaft teuren Sportwagenherstellern wie Lamborghini, Ferrari oder Aston Martin – das gab es erst 25 Jahre später noch einmal in Gestalt des Omega A, den Colin Chapman, Inhaber des britischen Lotus-Rennstalls, mit einem komplett überarbeiteten 24-Ventil-Reihensechszylinder mit 3.6 Litern und zwei Turboladern auf 377 PS und fast 300 km/h Höchstgeschwindigkeit trieb und den Lotus Omega zur schnellsten Serienlimousine weltweit machte. Uwe Mertin ist aber nicht auf die PS-Protze fixiert, Coupés generell sind dagegen schon sein Ding: „Was immer geht, ist der GT. Egal, wo man mit einem solchen Wagen auftaucht, es dreht sich jeder danach um. Und obwohl er so klein ist, er basiert ja auf dem Kadett B, hat man auch als großgewachsener und kräftigerer Mensch darin Platz. Auch den Manta A mag ich sehr. Nichts gegen den B, aber der ist schärfer konturiert, maskuliner. Der A ist italienischer, verspielter und aus jeder Perspektive stimmig.“
Die italienischen Einflüsse zu Beginn der 70er Jahre spiegeln wohl am ehesten die Zwillinge Rekord D und Commodore B wieder, als man sich vom amerikanisch inspirierten Design des Vorgängers Rekord C / Commodore A lösen und europäisches Selbstbewusstsein zeigen wollte. „Würden an Front und Heck des neuen Opel Rekord statt des Blitzes Alfa-Romeo-Embleme kleben, es hätte niemand einen Zweifel daran“, notierte ein Autojournalist 1972. Da war Opel schon seit 42 Jahren in GM-Besitz, hatte den in der weltweiten Automobilgeschichte einmaligen Vorgang, dass die neuen Herren anordneten, sämtliche ausgelieferten Wagen des Spitzenmodells Regent zurück zu kaufen und zu verschrotten, weil er besser als die gesamte GM-Oberklasse war, hinter sich. Und hatte 1960 mit dem Rekord P II erstmals seit der Übernahme durch GM ein Auto gewagt, das sich vom US-Style löste und der damals hochmodernen Trapezlinie Sergio Pininfarinas folgte.
Zurück zur Sammlung. Sie beginnt, wie es sich gehört, mit einer nachgestellten Nähmaschinenwerkstatt, einer Fahrradsammlung samt dem bekannten Quintuplet, mit dem die fünf Opel-Söhne oft auftraten, und den heute sehr seltenen und gesuchten Motorrädern, darunter der von Ernst Neumann-Neander konstruierten Motoclub. Es geht chronologisch weiter mit offenen Wagen aus der Messingkühler-Zeit wie dem vor 1900 gebauten „System Lutzmann“, gegenüber Rennwagen aus derselben Zeit, etwa dem mit 12.3-Liter-Vierzylinder mit königswellengetriebener, obenliegender Nockenwelle, 16 Ventilen, offenen Haarnadelventilfedern und einer Reifenbreite, über die ein 16-jähriger Rollerfahrer heute lachen würde und bei der man sich fragt, wie man damit 260 PS auf die Straße bringen und 260 km/h schnell sein konnte…
Gleich anschließend die Wirtschaftswunderzeit, in der Opel zum zweitgrößten Autoproduzenten Deutschlands und der Rekord zum meistverkauften Pkw nach dem VW Käfer wurde. Kapitän, Admiral und Diplomat, die Opel Oberklasse, die bis Mitte der 60er Jahre erfolgreich Mercedes-Benz Paroli boten, dürfen natürlich ebenso wenig fehlen wie der Opel Blitz, DER Leicht-Lkw der Wirtschaftswunderzeit, der den belasteten Namen aus brauner Militär-Vergangenheit spielend zum Synonym für Wiederaufbau und erfolgreiche Unternehmer machte. Nicht zu vergessen die heute hochbegehrten Frigidaire-Kühlschränke. Auch das war Opel – Mitte der 50er Jahre. Rund 500 Fahrzeuge aller Epochen umfasst die Opel-Classic-Sammlung, die in mehreren Hallen untergebracht sind, durch die Bank fahrbereit, gewartet und gepflegt, dazu rund 80 größtenteils fahrbereite Prototypen im Keller wie die Jahre vor dem Smart gebauten Opel Junior, Maxx oder Frogster, aber auch Wasserstoff getriebene Fahrzeuge oder solche, bei denen man je nach Einsatzzweck die Antriebe – elektrisch, Benzin, Hybrid – als Modul andocken kann.
Für den allgemeinen Besucherverkehr ist Opel Classic nicht geöffnet. Die historische Halle, einst die Bahnverladestation des Werks und die größte Europas, aber nicht denkmalgeschützt, weil sie im 2. Weltkrieg stark zerstört und danach verändert wieder aufgebaut wurde, ist mitten im Werksgelände und unterliegt daher strengen Sicherheits- und Schutzbestimmungen. Meldet man sich aber zu einer geführten Werksbesichtigung an, dann steht auch die erste Halle von Opel Classic mit ihrem Querschnitt aus der gesamten Firmengeschichte auf dem Programm. Eine Alternative, die auch für öffentlichen Publikumsverkehr geeignet wäre, gäbe es: „Die denkmalgeschützte Backsteinhalle K 48 wäre ideal, weil sie zum einen an der äußeren Grenze des Werksgeländes liegt, weil wir mehr Platz hätten und mehr Fahrzeuge ausstellen könnten, und weil sie historisches Opel-Ambiente vermittelt“, erzählt Uwe Mertin. „Dahin würden wir sofort umziehen. Mit Kusshand.“ Dass es noch nicht zum – eigentlich nur logischen – Umzug kam, hat einen ganz profanen Grund: „Die K 48 ist die einzige Halle im Werk, die groß genug ist, bei Betriebsversammlungen allen Beschäftigten Platz zu bieten.“
Info
Werkstouren finden nach vorheriger Anmeldung wochentags jeweils um 10:00 Uhr, 13:15 Uhr und 15:30 Uhr statt und dauern zwei Stunden. Bei der Anmeldung über die Webseite können Einzelbesucher und Gruppe zwischen unterschiedlichen Optionen für ihren Besuch bei Opel in Rüsselsheim wählen. An produktionsfreien Tagen und Wochenenden finden keine Touren statt.
Kontakt Werkstour Rüsselsheim:
Adam Opel GmbH
Friedrich-Lutzmann-Ring 1
D-65423 Rüsselsheim
DieWerkstour[at]opel.com
+49 - 61 42 - 76 56 00